Das böse eBook und das Heiligtum Buch

Wortwanderin | 5. Februar 2014 | |


In Anbetracht der nie enden wollenden Diskussion "eBook vs. Buch", kann ich einfach nicht anders, als auch meinen Senf dazu zu geben. Den Senf eines Bücherwurms, der sowohl Bücher besitzt, als auch diesen widerlichen kleinen Apparat namens "Kindle"; seineszeichens Tod des traditionellen Lesens. Hat das althergebrachte, physische Buch automatisch mehr Daseinsberechtigung, weil es älter ist?

 



Seit Kindertagen ein Freund des Buches, führte auch ich einen innerlichen Krieg gegen mich selbst, als ich zu Weihnachten einen Kindle bekam. Einige Monate zuvor war ich noch glühender Verfechter des Buches in gedruckter Form, und konnte mir partout nicht vorstellen, dieses kalte, sterile Ding namens eBook zu lesen. Eine tote Datei, von jeder Sinnlichkeit befreit und in etwa so sexy wie Fußpilz. Doch die begrenzten Räumlichkeiten meiner Wohnung forderten ihren Tribut und ersticken wollte ich auch nicht unter unzähligen Seiten Papiers. Ich tastete mich also voran in dieses unbekannte Terrain der angeblich Bücherliebenden, die doch das selbsterklärte Heiligtum mit Füßen traten. Und siehe da - so schlimm war es gar nicht!

Der inzwischen viel zitierte Friedrich Forssman hat zu seiner Ansicht einen bitterbösen Post verfasst, doch ist es die verkappte Ansicht eines Traditionalisten? In Sachen eBooks gibt es keine allgemeingültige Meinung und so sehr man sich als objektiver Betrachter auch beim Lesen seiner Tiraden an den Kopf greifen möchte, so ist man doch merkwürdig berührt von der feurigen Leidenschaft, mit der er sich für das Papierbuch ausspricht. Denn zwischen seinen Zeilen steht das Lesen eines gedruckten Buches automatisch als das "bessere, richtige Lesen". Ergo ist das Medium eBook per se Schund, Müll, verabscheuungswürdiger Datenscheiß ohne Herz und Sinn. Man könne es ja nichtmal verleihen, verkaufen. Dass der größte Anbieter amazon an genau so einem System arbeitet, ist ihm wohl nicht bekannt, sonst hätte er einen beträchtlichen Teil seines Beitrags einfach löschen können.

Willkommen im gestern?
Immerhin vertritt er die Meinung, ein Papierbuch erleide durch Benutzung keinen Qualitätsverlust. Da stellt sich natürlich die Frage, WIE dieser Mann bitte seine Bücher liest - oder ob er sie nach einmaligem Verzehr nie wieder anrührt. Der geneigte Bücherfreund bevorzugt nicht selten "zerlesene" Bücher mit Charakter und Seele. Wie man sieht: Eine Spaltung innerhalb der Partei, denn das Medium Buch wird mit allen Sinnen erfahren und benutzt. Geknickt, abgeliebt, in die Tasche geworfen bis die Ecken rund sind. Offenbar ist Herr Forssman kein Käufer gebrauchter Bücher, die bereits durch einige Hände gegangen sind. Und nein, man muss keine zwei oder drei eBook-Reader kaufen, wie er es in seiner flammenden Rede darstellt. Einer ist völlig ausreichend und in aller Regel auch kein Grund zu Aufregung, immerhin hat man sich ja höchstselbst dafür entschieden.

Liest man dann doch auf mehreren Geräten, synchronisiert die Cloud Lesestände, Notizen etc. Das Auslesen des Lesers als Richtlinie für die Optimierung der Geschichte. Eine Entmachtung des Autors. Darüber kann man durchaus kritisch urteilen, persönlich empfinde ich diesen Punkt aber lediglich als verlängerten Arm des traditionellen Lektors, der ja ohnehin schon emsig daran arbeitet, das Buch "in Form" zu bringen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass jeder Autor uneingeschränkt glücklich ist, wenn aus seinem erdachten Werk Passagen, Ideen oder gar ganze Charaktere gestrichen werden, aus welchen Gründen auch immer. Denn letztlich ist auch der Lektor dafür verantwortlich, aus dem Rohling einen Diamant zu schleifen. Eine Geschichte, die der Leser konsumieren kann, und zwar möglichst problemlos. Die abschließende Jury in Form des eBook-Nutzers? Für Indie-Autoren ohne großen Verlag im Rücken ein Segen, eine Hilfestellung. Ach, ich vergaß. Das sind ja keine Autoren, die schreiben ja nur infantilen Dreck und halten sich in ihrer grenzenlosen Naivität tatsächlich für richtige Autoren.

Mit drei Büchern in den Urlaub? Klar, wieso nicht? Mehr braucht man selten. Doch Platz im Koffer wegnehmen zu lassen, Gefahr laufen, sich einen Bruch zu heben? Nein, dann doch lieber eBook am Strand. Umziehen mit Bücherkisten? Immer wieder unangenehm, auch wenn man es durchaus einige Jahre an einem Ort aushält. Ich bringe meinen Umzugshelfern beim nächsten Wohnungswechsel bereits jetzt mein tiefes Mitgefühl entgegen, denn ehrlich: Diese Massen möchte ich nicht schleppen müssen! Und ich habe nur drei Regale.

Ist Herr Forssman nun ein verbockter Mensch mit dem Unwillen, sich dem Fortschritt zu öffnen? Ich denke nicht. Viel eher wird er sich den Fortschritt angeguckt haben um daraus zu schließen, dass er nichts für ihn ist. Ist ja auch viel bequemer und kuscheliger in der eigenen Komfortzone. Und weil er ein so leidenschaftlicher Leser und Bücherfreund ist, müssen natürlich auch ein paar fahrige Argumente gegen das böse, kleine eBook her.

Persönlich habe ich mich beim Lesen seines Posts gefragt, ob er überhaupt jemals einen eBook Reader in der Hand hatte, ihn aktiv nutzte. Wohl eher nicht, daher auch meine obige Vermutung. Denn wer den einige Zeit wirklich benutzt hat, wird unvermeidlich merken, dass die beiden Medien eBook und Papierbuch wunderbar nebeneinander existieren können. Sich gegenseitig ergänzen können. Und nein, auch das hätte ich früher nicht gedacht, vermutlich kategorisch ausgeschlossen, denn ich war ja auch mal so drauf, wie Herr Forssman jetzt. Wer das sinnliche Erlebnis sucht, ist beim eBook natürlich falsch. Dann muss man aber auch schlucken können, wenn es Leser gibt, die das nicht brauchen. So sehr es vielleicht schmerzt und so sehr die Erkenntnis frustriert. Meiner eigenen Erfahrung nach gibt es einen Haufen Bücher, die so "hingerotzt" produziert wurden, dass sie besser ein Baum geblieben wären. Taschenbücher mit billiger Aufmachung, schludriger Klebung, nichtssagendem Cover. Austauschbare Massenware ohne Möglichkeit, sich ins Gedächtnis oder Herz des Lesers zu fressen. Dann doch lieber das teure Hardcover, in das man hoffentlich mehr Mühe gesteckt hat.

Forssman fürchtet übrigens, das eBook würde das gedruckte Buch verdrängen, wie damals das Radio die Hausmusik beispielsweise. Wenn die Dummheit überhandnähme, würde das eBook das Papierbuch einfach ausmerzen, meint er. Es ist schon ein dickes Ding, die Intelligenz der Bücherfreunde daran festzumachen, welches Medium sie bevorzugen. Gerade von einem intelligenten, offenbar belesenen Mann wie ihm, erwartet man anderes. Bin ich automatisch dümmer, wenn ich lieber das eBook lese? Oder hat sich Herr Forssman mit seiner Aussage vielleicht selbst entblättert - als Bestandteil der naiven, dümmlichen Gruppe Mensch, die er eigentlich verteufelt?

Wortwanderin

linkwithin