Veronica Roth - Die Bestimmung - Trilogie

Wortwanderin | 15. Mai 2014 | / / |

Ich habe den Abschlussband von Divergent beendet und statt eine Rezension bzw. Besprechung zu jedem einzelnen Band zu schreiben, tippe ich eben einen Post über die komplette Trilogie. Warum das, was so brachial schlecht begann, dann doch zu einem genialen Ende kam, lest ihr hier. Achtung: Spoiler enthalten!



Wer meinen Blog verfolgt und auch hin und wieder diverse Forenposts von mir zum Thema Divergent bzw. Die Bestimmung liest, wird gemerkt haben, dass die Trilogie nicht unbedingt zu meinen Favoriten zählt.
Tatsächlich begann ich sie nur, weil ich wissen wollte, warum alle so davon schwärmen. Ich hatte kein zweites Panem erwartet, aber die Thematik klang interessant und vielversprechend. Man hätte eine Menge daraus machen können.



Was sich mir im ersten Band, der von allen Seiten hoch gelobt wurde, allerdings präsentierte, schlug nach meinem Empfinden dem Faß den Boden aus. Selten habe ich ein Buch mit dermaßen wenig Inhalt gelesen. Da muss sich dieses Mädchen entscheiden, welcher Wesenszug ihr am ehesten liegt und in welcher Gruppierung der Gesellschaft sie somit fortan leben will. Anschließend verlässt sie ihre Familie und stürzt sich in ein Leben voller Aggression und Kampf. Um ihrer neuen Fraktion keine Schande zu machen trainiert sie hart. Und das macht sie etwa 80% des Buches. Kapitel um Kapitel lamentiert Autorin Veronica Roth von irgendwelchen Zweikämpfen, Mutproben und Auseinandersetzungen. Der bereits halb schnarchende Leser, in diesem Fall ich, überfliegt also gute 250 Seiten Trainingseinheiten in epischer Länge und hat dennoch überhaupt nichts wichtiges verpasst. Ach ja, zwischendurch stirbt noch einer und Protagonistin Tris verknallt sich in ihren Vorgesetzten Four. Die obligatorische Teenie-Romanze killt dann auch noch den letzten Rest Spannung und verleiht dem ersten Band von Die Bestimmung die wohl unvermeidliche Portion Kitsch. Dass in Dystopien Romanzen auch wesentlich gekonnter eingebaut werden können, hat George Orwell mit 1984 bewiesen, aber man kann ja nicht alles haben. Lediglich das Ende von Divergent hat Potenzial für mehr gehabt. Doch konnte es die Gesamtheit des Buches leider auch nicht mehr retten. Emotional berührt war ich nicht, denn Tris ist eine Figur, die ich nicht besonders greifbar fand und auch ihre Mutter war mir zu fern um ihren Tod zu betrauern.

Nachdem ich mir nach Abschluss des ersten Teils schon geschworen hatte, den Mist nicht weiter zu verfolgen, lag in der Bücherei auf einmal der zweite Band Insurgent/Tödliche Wahrheit herum. Das passiert bei der Masse an Vorbestellungen nicht oft und ich entschied mich, der Trilogie spontan noch eine Chance zu geben. Also lieh ich das Buch aus.



Band 2 konnte leider auch nicht auf eine Portion unnötiger Kitschszenen verzichten, dennoch bereitete es einen Weg zu einer Wendung, die ich später noch als äußerst gelungen einstufen sollte. Ich muss zugeben, auch hier überflog ich wieder die Hälfte des Buches. Die Nebenfiguren interessierten mich nicht, ich gab mir nicht einmal Mühe mir die Namen zu merken. Ihren Bezug untereinander, das ganze Drumherum - absolut egal. Mich kümmerte nur der große, alles überstrahlende Hauptplot. Auch wenn ich Tris nach wie vor ziemlich dröge und langweilig fand, so fand ich doch Gefallen an Four. Den hat Roth glücklicherweise zu keinem Traumprinzen gemacht, aber er ersäuft auch nicht in Problemen aus denen die ach so tolle Tris ihn hätte retten müssen. Er hat seine negativen Seiten, er hat seine Argumente, irgendwie ist er der eigentliche Star in Band 2 für mich gewesen. Man bekommt das Gefühl, dass das Buch ohne Tris - und nur mit Four - sicherlich ebenso gut geklappt hätte. Das Ende, dieser elendige Cliffhanger, hat dann den Impuls gesetzt, auch noch den letzten Band zu lesen. Eine Welt außerhalb der Stadt? Ich musste wissen, wie es Draußen aussieht. Warum die angeblich Hilfe brauchen außerhalb der Grenzen. Auch wenn das bedeutet, dass ich mich wieder mit dieser furchtbaren Hauptfigur herumschlagen musste.

Der Abschlussband Allegiant/Letzte Entscheidung erntete viel Kritik. Da ich auf die Vorbestellung der Bücherei warten musste, warf ich hin und wieder einen Blick auf Blogposts und Leserkritiken zum Buch. Größtenteils waren die Leser unzufrieden. Von einem enttäuschenden, unteririrdischem Ende war da die Rede. Warum Veronica Roth allerdings hier das Ruder rumreißen konnte und ihre Dystopie absolut genial beendet, erkläre ich noch.



Tatsächlich habe ich im letzten Band kaum Seiten überflogen. Lediglich die romantischen Dialoge zwischen Tris und Four mussten weichen. Dass die Stadt ein Experiment und seine Bewohner lediglich Versuchskaninchen waren - das hatte ich mir schon gedacht. Die Idee der genetisch defekten oder perfekten Menschen fand ich spannend. Hiermit legte die Autorin einen Grundstein für die wahrscheinlich größte Gefahr in diesem Buch. Denn obwohl es Tris und Four nach Draußen schaffen, ihre Stadt und die Fraktionen verlassen können, müssen sie lernen, dass sie draußen erst recht niemandem trauen können. Die zerrüttete Gesellschaft, das permantene Misstrauen - das Leseerlebnis wurde zu einer packenden, düsteren Sache. Besonders gelungen fand ich, dass in diesem letzten Band jeder seinen eigenen Krieg führt. Es gibt nicht zwangsläufig "Die Guten" und "Die Bösen", die Grenzen verschwimmen und es bleiben Gruppierungen mit unterschiedlichen Zielen. Dem geneigten Leser der typischen Jugendbuch-Dystopien könnte bereits das ein Dorn im Auge gewesen sein, doch ich empfand diese Vielschichtigkeit als sehr realistisch. Es war erleichternd zu sehen, dass Veronica Roth auf Schwarzweißmalerei verzichtet und auch an sich als Autorin einen gehobenen Anspruch hat. Dass sie mehr bieten wollte, als zwei sich bekriegende Seiten, wobei alles schablonenhaft abläuft und jedes Kind kapiert, wer hier der Nette ist. Im Krieg passiert das nicht.

Vielen ist das Ende sauer aufgestoßen. Doch auch das ist absolut gelungen. Während im ersten Band noch viel Lärm und Nichts stattfindet, ist der letzte Band regelrecht abstoßend wirklich. Man darf nicht vergessen, dass das hier keine romantische Literatur ist, sondern, dass hier ein Kampf um eine Zukunft tobt. Da sterben Menschen. Gerade in Dystopien wird erschreckend viel gestorben, was aber für das jungen Leserpublikum nicht so aufgegriffen wird (natürlich). Insofern ist der Tod vieler Beteiligter absolut vertretbar und logisch. Ganz besonders der Tod von Tris zum Ende hin, ist sinnvoll und als Element gut gewählt. Habe ich mich nun also gefreut, als sie sich geopfert hat? Nein. Ihr Charakter hat für mich einen deutlichen Entwicklungssprung im letzten Buch durchgemacht. Auch wenn sie mir nie wirklich sympathisch war, konnte ich gut mit ihr leben und fand ihre inneren Krieg - insbesondere den um ihren verlogenen Mistbruder - nachvollziehbar.

Der Wandel von einer nichtssagenden Jugend-Dystopie zu einer glaubwürdigen Geschichte voller Schrecken und Hoffnung, ist Veronica Roth meisterhaft gelungen. Der Abschlussband ist so ganz anders als der Beginn und ich bin rückblickend ziemlich froh, dass sich die Autorin nicht weiterhin so demontiert hat. Sie ist eine gute Autorin, die es beherrscht Details zu verweben, zu überraschen und auch auf drei Bände ausgewalzt eine packende Story zu erzählen. Während sie in Band 1 noch viel Füllmaterial einbaut und man schon fast das Handtuch werfen möchte, entblättert Band 2 bereits sein immenses Potenzial. Der Striptease ist mit Band 3 abgeschlossen und man sieht sich mit einer realistischen, spannenden und ebenso bedrückend guten Dystopie konfrontiert.



Wer also schon in Band 1 das Interesse verloren hat, weil es ihm aus den gleichen Gründen gestunken hat, wie mir, der könnte gut möglich mit den Folgebänden noch eine Perle entdecken. Die Divergent Trilogie ist der Beweis, dass das, was als flacher Trittbrettfahrer beginnt, doch noch ein verdammt geiles Teil werden kann. Von mir 4 von 5 Blätter für die gesamte Trilogie. Den ersten Teil versuche ich schnell zu vergessen.



Titel: Die Bestimmung, Tödliche Wahrheit, Letzte Entscheidung
Autorin: Roth, Veronica
Verlag: cbt
Genre: Jugendbuch, Dystopie
Seiten: ca. 500 je Buch
Preis: 17,99€ (gebundene Ausgabe) | 9,99€ (TB) | 8,99 - 13,99€ (Kindle Edition)


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