Lesen wir alle das Gleiche?

Wortwanderin | 23. September 2014 | / / / / / / / / |

"Keine zwei Menschen lesen jemals das gleiche Buch." - Edmund Wilson
Oder doch?

Gerade auf Facebook bin ich gerne aktiv in diversen Büchergruppen. Dort gibt es diverse, sich immer wiederholende, Fragen. Ein Tolino oder ein Kindle? Überhaupt eReader? Indie-Autoren ja oder nein? Wie groß ist dein SUB? Über diese Fragen scheint sich die Buch-Community schier endlos austauschen zu können.

Was sie allerdings noch sehr gut zu beherrschen scheint, ist das Empfehlen der ewig gleichen Bücher und Autoren. Da mir das inzwischen immer mehr auffällt, drängte sich die Frage auf, ob wir tatsächlich alle das Gleiche lesen. Versteht mich nicht falsch, wir lesen natürlich nicht alle das Gleiche. Doch gibt es eine deutliche Gewichtung, von der ich wissen möchte, woher sie kommt.

Fragt man nach einem spannenden Krimi oder Thriller, schreien die Ersten man solle doch einen Fitzek lesen. Dann trudeln allmählich die Leser ein, die z.B. einen Jo Nesbo empfehlen. Oder eine Karin Slaughter. Fragt man nach etwas aus dem Fantasy Bereich, bombadieren einen die Leser mit Jugendbuch-Dystopien mit bestenfalls fantastischer Basis und reichlich Beziehungsdreieck-Gedöns. Etwas fürs Herz? "Ein ganzes halbes Jahr", "Weil ich Layken liebe", "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" - ganz groß dabei momentan. Man kann sich die Antworten praktisch selbst geben. Will man etwas, das man noch nicht hunderte Male in anderen Threads gesehen hat, muss man schon konkreter werden. Damit werden die Antworten aber auch automatisch weniger. Als ob es darüber hinaus nicht mehr viel gäbe.

Lesen wir wirklich so massentauglich? Wo sind die Autoren, die nicht die Bestsellerlisten rauf und runter fahren und zu Unrecht übersehen werden? Warum kann sich die Masse dafür nicht begeistern? Ist es die Anstrengung, die man unternehmen muss, sie zu finden?

Der Buchmarkt ist im Fluss. Erst kürzlich beklagte sich jemand, in ihrer Buchhandlung schrumpfe das Regal für Vampirfantasy und deren animalischen Kollegen auf ein Kleinstmaß. Was werden wir wohl morgen lesen? Wahrscheinlich mehr Gay/Bi-Romance, sobald auch noch der letzte Trittbrettfahrer von "Shades of Grey" das Zeitliche gesegnet hat.

Generell ist der so genannte "Mommy Porn" ein extrem beliebtes Thema unter den weiblichen Lesern. Da hat man wenigstens noch aufregenden Sex in Buchform. Indie-Autoren zu diesem Genre werden gefühlt im Stundentakt geboren. Die Erotik-eBooks explodieren in ihren Zahlen, so wie die Protagonisten in ihre bebenden Wunderweiber. Und während die berufstätige Ehefrau morgens in der Bahn verträumt auf ihren eReader starrt, haut am anderen Ende der Welt wieder eine Abigail F. Lovelust in ihre Tasten um ihr Studium zu finanzieren. Wenn es ihr zu langweilig wird, kann sie immerhin noch "Dinosaur Porn" schreiben.

Ist es der Markt, der uns diktiert, was wir zu lesen haben? Oder dürsten wir nach solchen, immer gleichen, Büchern? Sind es am Ende wir, die wir uns langweilen wollen?

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